Verfassungsreform
Die modernisierte und der Zeit angepasste Verfassung ist am 1. Juli 2023 in Kraft getreten.
Eine Verfassungsrevision in 4 Teilen
Die vier Revisionsentwürfe wurden in zwei Abstimmungen angenommen und die abgeänderte Verfassung dürfte am 1.Juli 2023 in Kraft treten.
Bei jeder Abstimmung haben mehr als zwei drittel der Parlamentarier, die präsent waren, mit "Ja" abgestimmt. Somit wurde eine Mehrheit erreicht.
Bei jeder Abstimmung, wurden die Entwürfe mit den Stimmen der Parlamentarier von CSV, DP, LSAP, déi gréng und Piraten angenommen, die Abgeordneten von déi Lénk haben sich enthalten und die der ADR haben Nein gestimmt.
Verfassungsreform : Warum und wie ?
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Ziel der Änderungen ist es:
- die Sprache zu modernisieren,
- die Texte an die tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen, was die Ausübung der staatlichen Machtbefugnisse und die Funktionsweise der Institutionen betrifft.
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Die 4 Vorschläge für eine Verfassungsreform sind in der Folge der Arbeiten am Änderungsvorschlag Nr.6030 zu sehen, der bereits 2009 eingereicht wurde. Der zuständige Parlamentsausschuss war über einen Zeitraum von über 10 Jahren mit dem Änderungsvorschlag Nr.6030 befasst. 2018 wurde der Konsens auf einen Vorschlag, der nach ungefähr 15 Jahren Vorbereitungsarbeiten
erreicht worden war, in Frage gestellt. Daraufhin wurde sich auf eine alternative Vorgehensweise, in Etappen, geeinigt.
Die politische Einigung, die von einer Mehrheit der Parteien getragen wurde, hielt fest, dass
- es einen gemeinsamen Willen gibt, den aktuellen Verfassungstext abzuändern
- der Status quo keine Option ist
- die Verfassung in Etappen und Kapitel abgeändert wird, nach den Richtlinien, die vom zuständigen Ausschuss vorgegeben werden
- der Ausschuss eine Liste der einzelnen mehrheitsfähigen Abänderungen aufstellt
Es wurde entschlossen, Bestimmungen zu folgenden Inhalten abzuändern:
- Arbeitsweise der Justiz (Änderungsvorschlag 7575)
- Aufbau des Staats, Staatsgebiet, Bevölkerung, Großherzog und Monarchie, Religionsgemeinschaften, Gemeinden, sowie allgemeine und Übergangsbestimmungen (Änderungsvorschlag 7700)
- Bürgerrechte und – freiheiten (Änderungsvorschlag 7755)
- Abgeordnetenkammer und Staatsrat (Änderungsvorschlag 7777)
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Die Abgeordnetenkammer (« Chambre des Députés ») hatte die Bürger dazu aufgerufen, sich an der Ausarbeitung der neuen Bestimmungen zu beteiligen: Im Juni 2015 wurden den Bürgern per
Referendum drei Fragen unterbreitet, zu folgenden Themenbereichen:
- Wahlrecht von Nichtluxemburgern bei den Parlamentswahlen,
- fakultatives Wahlrecht für Jugendliche ab 16 Jahren,
- zeitliche Befristung der Ministermandate.
Das Parlament hat hierzu mehrere Informationsveranstaltungen organisiert und eigens eine Website eingerichtet. In der Folge wurde das Ergebnis des Referendums bei den Arbeiten des Parlaments respektiert. So wird insbesondere unterstrichen, dass der Grundsatz, dem zufolge das Wahlrecht per Gesetz auf Nichtluxemburger ausgedehnt werden kann, nicht auf Parlamentswahlen anwendbar ist.
Über die Website www.ärvirschléi.lu konnten die Bürger Vorschläge für die Verfassungsreform vorlegen. 139 Bürger und Vereinigungen haben sich beteiligt und Vorschläge eingereicht. Mehrere Teilnehmer konnten diese anschließend in öffentlichen Anhörungen gemeinsam diskutieren. Der beschriebene Prozess der Bürgerbeteiligung hat zwischen Juli 2015 und Juli 2016 stattgefunden. Einige der eingebrachten Ideen wurden in den neuen Verfassungsbestimmungen übernommen, so zum Beispiel Kinderrechte, Sozialdialog, Freiheit der wissenschaftlichen Forschung oder auch der Zugang zur Kultur.
Ein Studienprojekt des Lehrstuhls für parlamentarische Studien, das mit dem Marktforschungsinstitut TNS ILRES als Partner durchgeführt wurde, hatte zum Ziel, Aufschluss über die Erwartungen der luxemburgischen Staatsbürger an eine reformierte Verfassung zu geben. Es wurden 60 Luxemburger im Alter von mehr als 16 Jahren ausgewählt, die sich dann, am 2. und 9. Juli 2016, in Diskussionsgruppen über die Verfassungsänderungen austauschen konnten.
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Folgende Bestimmungen wurden nach der Bürgerbefragung in den Text aufgenommen:
- Kinderrechte,
- Sozialdialog,
- Zugang zur Kultur und Recht auf freie kulturelle Entfaltung, Schutz des Kulturerbes,
- Anerkennung der Tiere als nicht menschliche Lebewesen mit eigener Empfindsamkeit, Schutz des Tierwohls,
- Freiheit der wissenschaftlichen Forschung,
- Initiativrecht für Bürger (das Recht, Gesetzesvorschläge einzureichen),
- Verankerung des Ombudsmans, der die Rechte der Bürger gegenüber Verwaltungen/Behörden vertritt.
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Das hierfür vorgesehene Verfahren ist wesentlich komplexer als das Verfahren, das für die Abänderung herkömmlicher Gesetze zur Anwendung kommt. Damit soll dem fundamental wichtigen Verfassungstext eine größtmögliche Stabilität verliehen werden.
Für jede Verfassungsänderung sind zwei aufeinanderfolgende Abstimmungen notwendig, zwischen denen ein Zeitraum von mindestens drei Monaten liegen muss. Ferner ist bei diesen Abstimmungen eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten erforderlich. Die Abstimmung aufgrund einer Vollmacht (« Vote par procuration ») ist nicht zulässig.
Auf Antrag von mehr als einem Viertel der Abgeordneten, also von mindestens 16 Abgeordneten, oder wenn 25.000 Wähler dies beantragen, kann die zweite Abstimmung durch ein Referendum ersetzt werden. Lehnen die Wähler die Verfassungsreform beim Referendum ab, werden die Änderungen nicht zurückbehalten. Die Verfassung wird dann nicht geändert.
Das Verfassungsänderungsverfahren wird in der neuen Textfassung beibehalten.
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Nach der Verabschiedung der einzelnen Entwürfe zur Verfassungsänderung erfolgt innerhalb von drei Monaten die Unterzeichnung durch den Großherzog. Anschließend wird der Text im « Journal officiel » veröffentlicht und tritt sechs Monate nach seiner Veröffentlichung in Kraft.
Die Hauptänderungen nach Kapiteln
Mit dem Nationalen Justizrat wird der Justizapparat um ein neues Organ erweitert.
Die luxemburgische Sprache wird in der Verfassung festgeschrieben. Das Bekenntnis zur Mehrsprachigkeit wird bestätigt.
Der Schutz der Belange des Kindes wird rechtlich festgeschrieben.
Gesetzgebung auf Initiative von Bürgern und ein vereinfachter Zugang zum Untersuchungsrecht des Parlaments