Die Geschichte des Parlaments

 
Das Parlament im Laufe der Zeit

Luxemburg wird 1839 unabhängig und funktioniert anfangs ohne parlamentarische Vertretung. Die erste parlamentarische Versammlung wird 1841 einberufen und ab diesem Moment nimmt das Parlament eine zunehmend größere Rolle ein.  

1841

Die parlamentarische Versammlung unter der Herrschaft der absoluten Monarchie
Die parlamentarische Versammlung unter der Herrschaft der absoluten Monarchie

Mit der Verfassung von 1841 entsteht eine „Ständeversammlung“, die sich aus 34 Abgeordneten zusammensetzt. Unter der damaligen Herrschaft der absoluten Monarchie sind ihre Vollmachten begrenzt: Sie kann keine Entscheidungen treffen und hat nur eine beratende Rolle an der Seite des Herrschers. Die Zustimmung des Parlaments ist in ganz wenigen Bereichen wie zum Beispiel bei der Steuergesetzgebung nötig. Nur der König-Großherzog Guillaume I. hat das Recht, Gesetze vorzuschlagen. Das Parlament versammelt sich an nur 14 Tagen im Jahr und die Sitzungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

1848

Der Anfang der Gewaltenteilung
Der Anfang der Gewaltenteilung

In einem Klima revolutionärer sozialer und demokratischer Bewegungen in Frankreich entsteht 1848 eine neue Verfassung. Sie führt die konstitutionelle Monarchie ein: Der König-Großherzog hat nur noch die Vollmachten, die ihm von der Verfassung und von Spezialgesetzen übertragen werden.

Die gesetzgebende Gewalt ist das Parlament: Es entscheidet über den ordentlichen und den außerordentlichen Haushalt und verfügt über das Untersuchungsrecht. Der Regierung wird Verantwortung zugesprochen und sie unterliegt der parlamentarischen Kontrolle. Die Sitzungen des Parlaments, das nun „Abgeordnetenkammer“ (Chambre des Députés) genannt wird, sind ab diesem Zeitpunkt öffentlich.

1853

Autoritäre Zwischenphase
Autoritäre Zwischenphase

Im Jahr 1853 beauftragt der König-Großherzog Guillaume III. die Regierung dazu, eine neue Verfassung auszuarbeiten um die Macht des Parlaments zu beschneiden. Das Parlament weigert sich, sich mit dem Vorschlag der Regierung für eine Verfassungsänderung zu befassen. In der Folge löst der König-Großherzog es auf. Dies bedeutet eine zeitweise Rückkehr zur absoluten Monarchie. Das Parlament, das sich wieder „Ständeversammmlung“ nennt, behält seine gesetzgebende Rolle, aber der König-Großherzog muss die Gesetze nicht mehr innerhalb einer bestimmten Frist anerkennen und verkünden. Es muss nicht mehr jedes Jahr über die Steuern abgestimmt werden und es kommt zur Wiedereinführung des „budget permanent“. 1856 wird der Staatsrat geschaffen, der das Parlament kontrollieren soll. Er bekommt als Aufgabe, Gutachten zu Gesetzesvorhaben und Rechtsverordnungen abzugeben und sich der Verwaltungsrechtsstreitigkeiten anzunehmen.

1868

Das Parlament nimmt die Verfassung des Kompromisses zwischen Freiheiten und autoritärer Charta an.
Das Parlament nimmt die Verfassung des Kompromisses zwischen Freiheiten und autoritärer Charta an.

Nach der Neutralitäts- und Unabhängigkeitserklärung Luxemburgs im Jahr 1868 schlägt die Verfassungsänderung von 1868 einen Kompromiss zwischen den Freiheiten von 1848 und der autoritären Charta von 1856 vor. Das Parlament wird wieder „Abgeordnetenkammer“ oder „Chambre des Députés“ genannt. Es erlangt die Rechte, die es 1856 verloren hat, wieder, wie das Recht, jedes Jahr über den Haushalt und die Steuern abzustimmen. Allerdings behält der König-Großherzog viele Vollmachten: Er hat die vollziehende Gewalt, die Exekutive, inne und nimmt an der gesetzgebenden Gewalt, der Legislative, teil.

1919

Die Einführung des allgemeinen Wahlrechts
Die Einführung des allgemeinen Wahlrechts

Die Verfassensänderung von 1919 führt die allgemeine Wahlpflicht ein und bestätigt das Prinzip der nationalen Souveränität. Die Fortschritte im Sinn einer Demokratisierung finden in einer Zeit statt, die durch eine Krise der Monarchie, durch Hunger und Versorgungsengpässe geprägt ist. Der Großherzog bleibt Staatschef und Ko-Gesetzgeber. Die antidynastische Strömung vermag sich nicht durchzusetzen: Im Referendum von 1919 befürworten 80 % der Wähler den Erhalt der Dynastie.

1940-44

Unterbrechung der legislativen Tätigkeit
Unterbrechung der legislativen Tätigkeit

Während des Zweiten Weltkriegs wird die Ausübung der gesetzgebenden Gewalt ausgesetzt und das Parlament aufgelöst. Die Regierung und die Großherzogin gehen ins Exil.
Die erste Nachkriegssitzungsperiode wird am 6.Dezember 1944 eröffnet und beschränkt sich auf eine einzige Sitzung, weil die Abgeordneten nicht in ausreichender Zahl anwesend sind. Eine beratende Versammlung kommt von März bis August 1945 zusammen und im Oktober 1945 finden Neuwahlen statt. Das Nachkriegsparlament nimmt eine Verfassungsänderung vor, mit der die Neutralität des Landes aufgegeben wird.

1965

Einführung der ständigen Ausschüsse

Die Einführung der ständigen und spezialisierten Ausschüsse erleichtert die Arbeit des Parlaments. Davor ist in Sektionen, in nicht spezialisierten Arbeitsgruppen, gearbeitet worden, deren Mitglieder per Los bestimmt worden sind . So war keine qualitativ hochwertige Arbeit möglich. Eine andere Neuerung betrifft die Fraktionen: Sie werden offiziell in der Geschäftsordnung anerkannt und bekommen Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt sowie Zuschüsse, die proportional zu ihrer Vertretung im Parlament berechnet werden. Diese Mittel sind allerdings den Fraktionen vorbehalten und sind weniger umfangreich als die, die sie 1990 zuerkannt bekommen werden.

1979

Die ersten Wahlen zum Europaparlament

Diese Wahlen werden parallel zu den Parlamentswahlen organisiert. Es sind erste Schritte in Richtung einer politischen Debatte über Europa. Luxemburg behält von damals 412 Mitgliedern 6 Abgeordnete im Euroaparlament: Es sind, nach der Wahl von 1979, drei Abgeordnete der CSV, zwei der DP und einer der LSAP. Sie bleiben Mitglied der Abgeordnetenkammer. Durch die Europawahlen hat die parlamentarische europäische Versammlung jetzt eine demokratische Legitimität. Dies wird dem Namen „Europaparlament“ gerecht, den die Versammlung sich 1962 gegeben hat und der beim Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte im Jahr 1987 zum offiziellen Namen wird. Schon 1979 nutzt sie ihre Haushaltsvollmachten zurück, indem sie den Haushalt für das Jahr 1980 zurückweist.

1990

Finanzierung der Fraktionen

Die Änderungen der parlamentarischen Geschäftsordnung in den Jahren 1990 und 1991 bringen eine substanzielle Erhöhung der Mittel mit sich, die den Fraktionen zur Verfügung stehen, und tragen zur Professionalisierung der politischen Arbeit bei. Außerdem steht jedem Abgeordneten ein Büro in der Nähe des Parlamentgebäudes zu. Das Parlament übernimmt die Kosten, die im Zusammenhang mit der Einstellung von Mitarbeitern entstehen. Die materielle Unterstützung wird nicht nur verstärkt, sondern auch die technischen Gruppierungen profitieren nun davon, dies nachdem die kleinen Parteien zu Beginn der Sitzungsperiode 1989/1990 diesbezüglich protestiert haben.

1999

Der Rechnungshof ersetzt die Rechnungskammer
Der Rechnungshof ersetzt die Rechnungskammer

Der Rechnungshof ist ein unabhängiges Organ, dessen Dienste vom Parlament beansprucht werden können. Er kontrolliert die Haushaltsführung der Organe, Verwaltungen und Abteilungen des Staates und kann auch die Haushaltsführung jeder Person privaten oder öffentlichen Rechts (z. B. des Festungsmuseums) kontrollieren, die eine öffentliche Finanzierung erhält. Jedes Jahr verfasst der Rechnungshof einen allgemeinen Bericht zur globalen Buchführung des Staats. Er kann, auf Bestellung des Parlaments, Gutachten zu Gesetzentwürfen und Gesetzesvorschlägen erstellen, die einen bedeutenden Einfluss auf die Staatskasse haben.

2004

Amtseinführung des Ombudsman
Amtseinführung des Ombudsman

2003 wird der Posten des Ombudsman geschaffen. Er ist dem Parlament angegliedert, kann in Ausübung seines Amts allerdings von keiner Autorität Anweisungen bekommen. Er nimmt die Beschwerden der Bürger entgegen, die Staats- oder Gemeindeverwaltungen betreffen sowie öffentliche Unternehmen, die dem Staat oder Gemeinden unterstehen. Er versucht, bei Streitigkeiten zwischen zwei Parteien Vermittler zu sein, und agiert auch als Berater. Er stellt dem Parlament jedes Jahr seinen Bericht vor, der dann vom Parlament veröffentlicht wird.

2008

Finanzierung der politischen Parteien
Finanzierung der politischen Parteien

Die politischen Parteien werden seit Januar 2008 direkt vom Staat finanziert dies, nachdem sie in die Verfassung aufgenommen worden sind und 2007 über das Finanzierungsgesetz abgestimmt worden istIhre Buchhaltung ist strikt von der der Fraktionen getrennt: Es handelt sich um zwei verschiedene Strukturen mit jeweils eigenem Personal. Um in den Genuss der öffentlichen Finanzierung kommen zu können, muss eine Partei beweisen, dass sie regelmäßig politischen Aktivitäten nachgeht, Sie muss vollständige Listen bei den Parlaments- und Europawahlen aufstellen und mindestens 2 % der Stimmen bekommen.

2014

Öffentliche Petition

Die öffentliche Petition ist weitreichender als die einfache Petition. Nachdem sie vom Petitionsausschus für zulässig erklärt worden ist, wird sie auf petitions.lu veröffentlicht. Wenn sie innerhalb von 6 Wochen mehr als 4.500 Unterschriften erreicht – auf einem dafür vorgesehenen Papier- oder Onlineformular –, wird eine öffentliche Debatte veranstaltet und auf Chamber TV übertragen.

2017

Der OKAJU und das Zentrum für Gleichbehandlung werden dem Parlament angegliedert.
Der OKAJU und das Zentrum für Gleichbehandlung werden dem Parlament angegliedert.

Die Verteidigungsinstanz der Rechte der Kinder und Jugendlichen (OKAJU, „Ombudsman fir Kanner a Jugendlecher“) löst das Ombudskommitte für die Rechte des Kindes (ORK) ab. Das OKAJU hängt nicht mehr vom Unterrichtsmuseum ab, ist also nicht mehr von der Exekutive abhängig, sondern ist dem Parlament angegliedert und verfügt über eine eigene Verwaltung. So wird sichergestellt, dass es im Rahmen seines Auftrags von keiner Autorität Anweisungen bekommt.

Im gleichen Jahr, 2007, wird das Zentrum für Gleichbehandlung dem Parlament angegliedert. Ab seinem Enstehen im Jahr 2006 und bis 2017 hat es dem Familienministerium unterstanden.

2020

Der Krisenzustand
Der Krisenzustand

Am 17. März 2020 ruft der Staatsminister Xavier Bettel den Krisenzustand aus. Es ist das erste Mal, dass der Krisenzustand, der durch eine Verfassungsänderung im Oktober 2017 geschaffen worden ist, ausgerufen wird.
Während des Krisenzustandes – aufgrund einer internationalen Krise, oder wenn lebensnotwendige Bedürfnisse der Bevölkerung oder die öffentliche Sicherheit bedroht sind – kann der Großherzog Maßnahmen ergreifen, die gegen geltende Gesetze verstoßen. Dies geschieht immer dann, wenn es dem Parlament andernfalls nicht mögliche wäre, in einem angemessenen Zeitrahmen Gesetze anzunehmen, um auf die entsprechende Situation zu reagieren. Die Krisenmaßnahmen müssen notwendig, adäquat und verhältnismäßig sein.