Das Parlament und die Europäische Union

  
Der Lissabonvertrag hält fest, dass die nationalen Parlamente "zur guten Arbeitsweise der Union beitragen". Es gibt zwei Zusatzprotokolle : eines über die Rolle der nationalen Parlamente und ein anderes über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips.

Mitwirkungsrechte des Parlaments

Die nationalen Parlamente bringen sich auf verschiedenen Ebenen ein :

1.) Indem sie die Regierung kontrollieren

In Luxemburg werden die Minister vor und nach dem Treffen des Europäischen Ministerrats in einen Parlamentsausschuss eingeladen. 

2.) Indem sie das Subsidiaritätsprinzip kontrollieren

Der Lissabonvertrag sieht vor, dass die nationalen Parlamente begründete Stellungnahmen zu europäischen Gesetzgebungsakten annehmen können. Diese Stellungnahmen legen dar, weshalb der jeweilige Entwurf ihres Erachtens nach nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist. Sie müssen binnen 8 Wochen an die europäischen Institutionen übermittelt werden.

Parlamente mit einer Kammer verfügen über zwei Stimmen, die mit zwei Kammern über jeweils eine Stimme.

  • Wenn die Zahl der begründeten Stellungnahmen mindestens ein Drittel der Gesamtzahl der den nationalen Parlamenten zugewiesenen Stimmen erreicht, muss der Entwurf überprüft werden. Die EU-Kommission muss dann darüber entscheiden, ob der Gesetzentwurf beibehalten, abgeändert oder zurückgezogen wird. Dies ist die sogenannte Prozedur der „gelben Karte“.
  • Erreicht die Anzahl begründeter Stellungnahmen, wonach der Vorschlag für einen Gesetzgebungsakt nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip im Einklang steht, mindestens die einfache Mehrheit der Gesamtzahl der den nationalen Parlamenten zugewiesenen Stimmen, muss der Vorschlag überprüft werden. Wenn der Text beibehalten wird, muss die Kommission dem Europaparlament ihre Haltung erklären. Wenn 55 % der Mitgliedstaaten oder eine Mehrheit der Mitglieder des Europaparlaments der Meinung sind, dass gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoßen wurde, wird das Gesetzgebungsverfahren beendet. Dies ist die sogenannte Prozedur der „orangenen Karte“.

Die begründeten Stellungnahmen der Abgeordnetenkammer finden Sie auf der Internetseite von IPEX.

3.) Im politischen Dialog mit der EU-Kommission

Dieser Dialog ermöglicht es den Parlamenten, europäische Fragen zu kommentieren, die nicht direkt mit der Gesetzgebung zusammenhängen. Diese Kommunikation mit der EU-Kommission beruht nicht auf einem Vertragsartikel.

Das Parlament empfängt regelmäßig Mitglieder der EU-Kommission zum Meinungsaustausch. Dieser Dialog ist Teil des „Plan D - Demokratie, Dialog und Debatte“ der EU-Kommission.

4.) In der Umsetzung europäischer Richtlinien

Gesetzentwürfe, die vom Europäischen Rat oder vom Parlament angenommen wurden, wie zum Beispiel Verordnungen oder Beschlüsse, treten direkt in Kraft. Richtlinien müssen hingegen in nationales Recht übertragen werden. Gemäß Artikel 4 des Vertrags der Europäischen Union sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, europäische Richtlinien in nationales Recht umzusetzen.

In Luxemburg werden die Richtlinien umgesetzt

  • über Gesetze die vom Parlament gestimmt wurden
  • über großherzogliche Verordnungen (mit oder ohne Mitwirken des Parlaments)
  • über Verwaltungsmaßnahmen, falls schon ein Gesetz existiert.

Die Umsetzung muss innerhalb einer bestimmten Frist erfolgen: Ist die in der Richtlinie vorgesehene Umsetzungsfrist abgelaufen, kann die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Damit soll der Mitgliedstaat dazu veranlasst werden, die Richtlinie umzusetzen.

Zunächst wird dem betreffenden Land ein Aufforderungsschreiben übermittelt. Später kann die Kommission den europäischen Gerichtshof mit dem Fall befassen, der ein Urteil spricht. 

Wenn ein Staat eine Richtlinie, trotz eines Urteils des europäischen Gerichtshofs, nicht umsetzt, kann ein zweites Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden. Das Gericht kann eine finanzielle Sanktion verhängen, deren Höhe von der Kommission festgelegt wird.

 

Kooperation zwischen Parlamenten

Die nationalen Parlamente der EU-Staaten verfügen über verschiedene Arten der Kooperation, sowohl auf politischer als auch auf Verwaltungsebene.

Auf Verwaltungsebene bestehen einige spezifische Netzwerke wie das der Vertreter der nationalen Parlamente in Brüssel, darunter IPEX, EMAS und andere.

Förderung des Bürgerdialogs über Europa

Die Abgeordnetenkammer tritt regelmäßig mit den Bürgern in Dialog und organisiert Bürgertreffen zum Thema Europa.

Zuletzt veranstaltete das Parlament mehrere Events im Rahmen der Konferenz über die Zukunft Europas. Die Forderungen der Bürger wurden in einem Bericht zusammengefasst, der am 1. März 2022 Thema einer Orientierungsdebatte im Parlament war.

Auch im Jahr 2005 tauschten sich die Abgeordneten bereits mit den Bürgern aus, beispielsweise bei diversen Debatten über eine europäische Verfassung.

Dokumente, die von den europäischen Institutionen übermittelt werden

Die Parlamente bekommen :

  • die Konsultationsdokumente der Kommission (Grün- und Weißbücher sowie Mitteilungen)
  • das jährliche Rechtsetzungsprogramm sowie alle weiteren Dokumente für die Ausarbeitung der Rechtsetzungsprogramme oder politischen Strategien 
  • die an das Europäische Parlament und den Rat gerichteten Entwürfe von Gesetzgebungsakten. Entwürfe eines Gesetzgebungsakts sind die Vorschläge

    der Kommission, die Initiativen einer Gruppe von Mitgliedstaaten, die Initiativen des Europäischen Parlaments, die Anträge des Gerichtshofs, die Empfehlungen der Europäischen Zentralbank und die Anträge der Europäischen Investitionsbank, die den Erlass eines Gesetzgebungsaktes zum Ziel haben